Bergprodukte, Sanfter Tourismus und Genuss aus den Alpen

Genussreise in Graubündens Surselva

Wandern macht hungrig – eine Genussreise in Graubündens Surselva

Blick von Siat Richtung Valser TalIn unserem Slowfood-Convivium Augsburg hatten einige Mitglieder den Wunsch, eine längere Bergwanderung mit gutem regionalem Essen zu verbinden. Beim monatlichen Stammtisch treffen sich die Slowfooder aus Augsburg und Umgebung, um gut zu essen und gemeinsame Unternehmungen zu planen. Nach kurzer Überlegung waren wir uns einig, dass wir nicht nur irgendwo hinfahren und einen Alibispaziergang vor dem Essen machen wollen, sondern dass wir eine mehrtägige Tour machen werden, dabei mehrere Stunden täglich wandern und etwas über die regionale Küche unseres Wandergebiets erfahren wollen.

Weil wir die Idee "gutes Essen aus den Bergen" bereits mit unserer Marke "Berggenuss" verfolgen, lag es natürlich nahe, dass wir uns auch Vorschläge für diese Genusswanderung überlegen. Da wir die regionale Küche in Graubünden sehr schätzen und man hier auch sehr gut wandern kann, wollten wir unseren Conviviums-Freunden eine Tour in Graubünden vorschlagen.
Ausserdem konnten wir hier auf die tatkräftige Unterstützung von alpinavera zählen, einer Organisation, die sich für die Wertschöpfung in den Berggebieten und für die Vermarktung von Bergprodukten aus der Südostschweiz einsetzt, und bei der wir seit einigen Jahren Partner sind.

 

Graubünden ist ein Land der Weinberg in der Bündner HerrschaftGegensätze. Nach allen Seiten laufen tiefe Täler - das Rheintal nach Norden, das Misox nach Süden Richtung Tessin, das Puschlav zum Veltlin, das Münstertal Richtung Vinschgau, das Engadin nach Tirol.
In den tiefsten Regionen der Täler wachsen Wein und Feigen, Esskastanien und andere wärmeliebende Pflanzen. An den Südhängen reicht diese Vegetation teilweise weit nach oben. In den flachen Talböden überwiegt Ackerbau.

 

 

 


Bündner Trockenfleisch, geräucherter Schweinebauch, verschiedene BiokäseIn Graubünden ist die biologische Landwirtschaft sehr verbreitet. Mehr als die Hälfte der Landwirtschaftsbetriebe sind bio-zertifiziert, das ist europaweiter Rekord.
Zusätzlich sorgt die Organisation Alpinavera dafür, dass Regionale Spezialitäten auch überwiegend aus regionalen Rohstoffen gemacht werden. Nur Produkte, deren Zutaten zu mindestens 75% aus einheimischen Alp- und Berggebieten stammen, werden bei AlpinaVera gelistet.
Unter anderem fördert AlpinaVera den Walnussanbau für die berühmte Bündner respektive Engadiner Nusstorte und mit GranAlpin wurde ein Label für regionales Getreide geschaffen, das in den verschiedensten Brot- und Gebäcksorten Verwendung findet.

Das Qualitätsbewusstsein bei den Produzenten und in der Gastronomie ist sehr hoch. Hier finden wir Spitzenküche und handwerklich gefertigte Kostbarkeiten, die durch Einfachheit, Geschmack und Kraft begeistern.

Eines der grossen Täler ist das Rheintal. Es teilt sich bei Tamins in die Surselva, das Tal des Vorderrheins, und das Domleschg mit dem Hinterrhein.
"Surselva" bedeutet "oberhalb des Waldes" und meint das Gebiet oberhalb des grossen Flimser Bergsturzes, der sich gegen Ende der letzen Eiszeit vor ca. 10000 Jahren ereignet hat.

Die Surselva Blickrichtung OberalppassHier in der Surselva führt die Senda Sursilvana über mehr als 100 Kilometer vom Oberalppass nach Chur durch die weiten Südhänge. Wege durch die Dörfer wechseln mit Wiesenpfaden, steilen Bergwegen und Forststraßen ab. Laufend wechselnde Ausblicke und kulturelle Sehenswürdigkeiten machen den Weg zu einem kurzweiligen Erlebnis. Dazwischen kommen an verschiedenen Stationen auch die Gaumenfreuden nicht zu kurz.

 

 

 

Wegführung von Surrein nach Siat auf der Senda Sursilavana und am letzten Tag zur Alp Ruschein und zurück nach SiatWir werden uns im mittleren Abschnitt der Senda Sursilvana bewegen. Unsere Tour dauert insgesamt 4 Tage. Am ersten Tag reisen wir an und sind in Surrein und Sumvitg. An den nächsten beiden Tagen wandern wir über Brigels nach Siat und am vierten Tag gehen wir noch auf eine Alm, bevor wir am Nachmittag heimfahren.
Die einzelnen Stationen haben wir zusammen mit Frau Sinniger von alpinavera ausgesucht, die uns bei der Vorbereitung der Tour durch ihre Beratung und die Kontaktpflege vor Ort ganz hervorragend unterstützt hat.

Die einzelnen Etappen lassen sich auch bequem mit Auto, Bus und teilweise auch mit dem Zug zurücklegen. Dabei kann man sich ganz auf die kulturellen und kulinarischen Höhepunkte konzentrieren. Man taucht dann zwar nicht ganz so tief in die Schönheit der Umgebung ein und erläuft sich nicht so einen gesegneten Appetit, dafür ist es aber auch weniger anstrengend.

1. Tag Anreise, Destillaria Candinas und Essen bei Amarenda

Zuerst fahren wir nach Sumvitg, wo sich in der Genossenschaft Amarenda (bündnerromanisch "a marenda" – eine Bauernvesper) eine Anzahl Berglandwirtschaftsbetriebe zusammengeschlossen haben, um an einer sinnvollen Kombination aus ökologischer Landwirtschaft, Gaumenfreuden und sanftem Tourismus zu arbeiten. Ein zentrales Anliegen von Amarenda ist es, den Gästen einen Einblick in die lokalen Wirtschaftsweisen zu vermitteln.
Unsere Tour beginnt in Surrein, das zur Gemeinde Sumvitg gehört und am südlichen Ufer des Rheins (Surrein – über dem Rhein" bzw. "auf der anderen Rheinseite") liegt.

Frau Candinas mit der Destillieranlage und einer Auswahl ihrer SchnäpseHier besuchen wir die Destillaria Candinas und werden von Frau Candinas in Empfang genommen. Die Brennerei wird von der Familie nun schon in der sechsten Generation betrieben. Bis vor einigen Jahren war die Destillaria eine reine Lohnbrennerei, das heisst die Bauern haben das Obst gebracht und sich daraus Saft pressen und Schnaps brennen lassen.

Die Lohnbrennerei ist immer noch ein großer Bestandteil des Geschäfts, inzwischen produziert die Destillaria aber auch verschiedene eigene Produkte. Es wurde ein eigener Vertrieb aufgebaut und der Verkauf läuft über Postversand und in regionalen Geschäften, z.B in Flims.

 

Wir dürfen nun die verschiedenen Schnäpse degustieren und bekommen dazu Käse und Gebäck gereicht. Für die Autofahrer gibt es selbstgepressten Apfelsaft. Wir bewundern die Kupferkessel der Destillieranlage und lassen uns die Hürden der Brennereikunst erklären. Es gibt keine Bio-Schnäpse, da nicht alle Obstlieferanten bei Bio mitmachen und das Wechseln zu kompliziert wäre. Jeder Brennvorgang muss dokumentiert werden, die Kontrollen sind streng.
...wohl bekommsFrau Candinas schenkt verschiedene Fruchtschnäpse ein, z.B von Birnen, Quitten, Pflaumen und Mirabellen. In der Brennerei wird nach verschiedenen Verfahren gearbeitet, zum Teil werden reine klare Brände produziert, zum Teil werden in den fertigen Bränden noch getrocknete Früchte ausgezogen. Dabei werden für die Auszüge die entsprechenden Schnäpse verwendet, also nicht wie bei uns üblich billiger Alkohol angesetzt. Diese Auszüge schmecken fast likörartig und leicht süss, haben aber einen sehr hohen Alkoholgehalt. Sie können trotz ihrer Süße unbegrenzt gelagert werden, da der Alkoholgehalt konserviert und weitere Gärung unterbindet.

Für den Enzianschnaps darf die Familie Candinas ein bestimmtes Kontingent an Wurzeln selbst ausgraben. Es muss ziemlich tief gegraben werden und Frau Candinas zeigt uns Fotos, damit wir einen Eindruck von der beeindruckenden Größe der Wurzeln bekommen.
Der Absinth wird mit wildgesammeltem Wermut gebrannt, der auf seine Inhaltsstoffe geprüft und standardisiert wird. Es gibt auch einen Anisschnaps, dessen Geschmack entfernt an Pernod erinnert und dessen Rezept ursprünglich aus dem Wallis stammt.

Zur Abrundung reicht Frau Candinas Holunderblütensekt, der in der Flasche vergoren ist. Zum Abschluss kaufen wir noch Schnaps, Sanddornsirup und Cantuccini (Mandelgebäck), als Erinnerung für zu Hause.

Sumvitg Blick zurück nach SurreinUnsere nächste Station ist das Abendessen im Bergdorf Sumvitg, das oberhalb von Surrein am Südhang auf der gegenüberliegenden Talseite liegt. Wer Bewegung braucht, geht von der Schnapsbrennerei in einer guten halben Stunde zu Fuß durch die Wiesenhänge auf einem steilen Weg hinauf, die anderen fahren in wenigen Minuten mit dem Auto.

Sep Candinas und seine Frau Barbara betreiben für Amarenda einen Cateringbetrieb mit regionalen Produkten und bieten für angekündigte Gäste in Ihrem Garten eine kleine Gastwirtschaft. Hier wird nur auf Anmeldung und nicht täglich, dafür aber mit um so mehr Liebe und Freude gekocht. Zuerst erläutert uns Sep die landwirtschaftlichen Gegebenheiten der Region und erzählt beispielsweise über eine speziellen Sommerroggen, den es hier früher viel gab und der jetzt wieder vermehrt angebaut wird. Er erzählt uns auch, warum die kleinräumige Berglandwirtschaft nicht mit den Weltmarktpreisen mithalten kann und dass sie daher auf die regionale Wertschöpfung angewiesen ist, um weiterbestehen zu können.


Wir sind die einzigen Gäste und philosophieren ein wenig über die Zeitläufe. Dabei bewundern wir das Aprikosenspalier auf 1000 Metern Meereshöhe hier am Haus und staunen über die riesigen reifen Aprikosen, die wir grosszügigerweise probieren dürfen.
Dann trinken wir einen Sanbitter als Apéro, während Sep uns Blanc de Pinot Noir vom Biowinzer(der weisse Pinot noir wird frühzeitig von der Maische getrennt und die Fabstoffe bleiben grösstenteils in den Schalen zurück), Erdbeerwein vom Nachbarn in Surrein und Holunderblütensirup mit Sumvitger Wasser als Getränke zur Auswahl vorschlägt.

Sumvitg Gartenwirtschaft AmarendaAls Vorspeise essen wir Tagliarins (hausgemachte Bandnudeln an Salbeibutter) und Bündner Gerstensuppe. Das schmeckt so gut, dass wir beim angebotenen Nachschlg schon Angst haben, dass wir zur Hauptspeise keinen Hunger mehr haben, aber wir erliegen der Verführung und lassen uns noch eine Portion bringen.
Als Hauptspeise bekommen wir ein Rindfleischvoressen, das sind Rindfleischstücke aus eigenen 2-jährigen Rindern. Dazu gibt es grobe Graubündner Polenta, die mit Boillon zubereitet wird, und Rotkraut. Das Fleisch ist ausserordentlich zart und lecker und schmeckt und hervorragend. Auch die Maluns – bündner Kartoffelteigwaren mit Apfelmus – die unsere Begleiterin gewählt hat, kommen sehr gut an.
Auch bei der Hauptspeise können wir nicht nein sagen, als wir gefragt werden, ob wir noch einmal wollen.
Zum Nachtisch haben wir uns Bündner Nusstorte und Himbeerquarktorte gewünscht, womit wir dann das Abendessen abschliessen. Nun sind wir so satt, dass wir im Interesse der Wanderung am nächsten Tag ablehnen müssen, was natürlich schade ist, aber wir wollen uns ja noch rühren können.
Zum Abschluss gibt es dann noch einen Verdauungsschnaps aus der Destillaria.

Lamas bei DeplazesZu der Genossenschaft Amarenda gehört auch Lamaventura. Nadia und David Deplazes veranstalten mit Ihren Lamas Halbtages- bis Mehrtagestrekkings. Hier könnte man auch eine mehrtägige Tour mit unterwegs Kochen und Übernachtung organisieren. Lamas sind wesentlich unkomplizierter als Maultiere und lassen sich sogar von Dreijährigen führen, so dass hierzu ausser der Einweisung keine Vorkenntnisse notwendig sind. Familie Deplazes bietet am Hof und auf den Touren lokale Spezialitäten, z.B beispielsweise Grillabende mit dem eigenen Rindfleisch unterwegs. Sie legen großen Wert auf Saisonalität der Produkte, weswegen es je nach Jahreszeit unterschiedliche Früchte gibt.
Wir sind diesesmal allerdings nur zum Schlafen im Stroh hier. Gundula und Erich fahren in Ihre Wohnung, während wir es uns zu dritt in den mit Ballen abgetrennten Strohnischen gemütlich machen. Stroh ist nicht Heu, es enthält keine Pollen und ist auch für Allergiker geeignet.
Der Übernachtungsplatz ist rustikal, aber auch ausserordentlich gemütlich und der Schlaf im Stroh ist tief und erholsam.


2. Tag: Von Sumvitg nach Brigels

Aufbruch in SumvitgAm nächsten Morgen stellt uns Frau Deplazes ein wunderbares Frühstück hin. Das holzofengebackene Brot ist aus Granalpin-Getreide, das heisst es ist Getreide aus Bündener Bergtälern. Dazu essen wir Alpbutter, Bergkäse und selbstgemachte Marmelade, alles in Bio-Qualität, denn der Betrieb ist Bio-Knospe-zertifiziert. Kaffee und Milch sind reichlich bemessen und damit schmeckt uns dann auch das Müsli zum Nachtisch.
Für unsere Wanderung bekommen wir ein reichhaltiges Bio-Lunchpaket, das so reichlich bemessen ist, dass wir unterwegs ganz gewiss nicht hungern müssen.

Gegen 9 Uhr vormittags treffen wir uns wieder mit Gundula und Erich auf dem kostenlosen öffentlichen Parkplatz in Surrein, wo wir unsere Autos für die nächsten Tage stehen lassen.
Gundula läuft nicht mit und hat uns angeboten, morgens unser Reisegepäck zu übernehmen und zur nächsten Übernachtungs-Station zu transportieren, während wir nur mit leichtem Tagesrucksack laufen. Wir fahren nun noch zusammen wieder hoch nach Sumvitg, weil wir die Strecke ja schon am Abend zuvor gelaufen waren und froh sind, etwas höher starten zu können.
Wir gehen im Dorfkern los und werfen zuerst einen kurzen Blick in die schöne Kirche und über den Friedhof, bevor wir zwischen einigen alten Häusern hindurch das Dorf verlassen.

Der Piz Vial über SurreinEs geht nun über einen meist grünen Wiesenweg nur schwach steigend und später fast eben weiter, der von Gebüsch und einzelnen Bäumen gesäumt wird. Wir staunen über die alten Kirschbäume, die hier auf dieser Höhe (fast 1200m ü.d. M.) noch überraschend gut wachsen. Wie die Aprikosen gestern deutet das darauf hin, dass hier im talnahen Bereich ein recht mildes Klima herrscht.
Die meiste Zeit ist der Blick über das Tal frei. Gegenüber im Hintergrund des Val Sumvitg glänzt der Gletscher des Piz Vial (3168 m), hinter dem die berühmte Greina-Hochebene liegt.

Nach etwa einer Stunde erreichen wir über zwei Serpentinen absteigend das Dorf Rabius, wo wir einige Meter an der Strasse entlang gehen und nach der Brücke über den Bach gleich wieder schräg links nach Nordosten nun steiler etwa 250 Höhenmeter aufsteigen. Dann führt uns ein schöner schattiger Waldpfad sanft hinunter zu den Wiesenhängen über dem Weiler Caltgadira.

 

 

 

 

 

Hier lädt uns eine Sitzbank mit Blick über das Kirchlein und die alten Häuser zu unserem Mittagessen ein. Wir packen unser Bio-Lunchpaket aus und geniessen selbstgemachte, sehr aromatische Rindswurst, Bergkäse und Holzofenbrot. und zum Nachtisch Augustäpfel und Gebäckteile mit Zwetschgenmus.

Auf dem Weg von Rabius nacvh BrigelsNach dem Essen überqueren wir das Val Punteglias oberhalb von Trun, kommen am Weiler Cartatscha mit seiner Burgruine vorbei und gehen nun wieder auf weite Strecken durch den Bergwald, überqueren Bäche auf Holzstegen und erreichen mit einigem Auf und Ab das Dorf Schlans, das auf 1146 m Höhe unter dem 3252 m hohen Cavistrau liegt. Ab hier könnten wir auch obenherum über Plaun da Plaids nach Brigels gehen, wir nehmen jedoch die eine halbe Stunde kürzere Variante durchs Dorf und laufen auf dem Teersträsschen über Capeder und Capaul zur Fahrstrasse nach Brigels. 3 Minuten unterhalb wäre nun eine Bushaltestelle, von wir wir den Bus nach Brigels nehmen könnten.

Wir sind jedoch noch ganz munter und überqueren die Fahrstrasse, um gegenüber der Senda Sursilvana auf dem alten Saumweg zu folgen und steigen dann einigermassen steil auf dem Fussweg nach Brigels an.
In Brigels (1287 m) kommen wir gegen 16:00 an, wobei wir die offizielle Wegangabe um fast 2 Stunden überschritten haben. Es gab eben viel zu schauen und zu reden, und schliesslich sind wir "slow" unterwegs.

Brigels OrtsbildTrotzdem haben wir noch Zeit, vor der Sennereibesichtigung Kaffee zu trinken. Gundula ist bereits mit unserem Gepäck da und erwartet uns, die Casa Fausta Capaul, in der wir übernachten werden, ist jedoch noch geschlossen. Wir lassen uns also zuerst den Weg an der Kirche vorbei zur Sennerei zeigen.
Herr Kobler, der Senner, führt uns durch die Sennerei. Er führt die Sennerei seit fast 30 Jahren. Die Sennerei Brigels ist eine reine Bio-Sennerei, in der im Jahr ca. 900.000 Liter Milch, die von 11 ortsansässigen Bauern geliefert werden, verarbeitet werden. 9 Monate im Jahr erfolgt die Anlieferung mit Milchkannen direkt hier an der Sennerei, jetzt im Sommer sind die Kühe auf der Alp und die Milchanlieferung erfolgt über eine 6 Kilometer lange Milchpipeline.


Zu Besuch in der Sennerei BrigelsDie Milchanlieferung erfolgt natürlich nur Morgens und Abends zu bestimmten Zeiten, in der Zwischenzeit wird die Pipeline von bestem Bergwasser in absoluter Trinkwasserqualität durchflossen, so dass sich keine Keime festsetzen können. Bei der Umstellung von Wasser auf Milch haben sie eine Abmachung zwischen Sennerei und Alpe, denn es geht um minutengenaue Pünktlichkeit. Die Pipeline hat wegen des Höhenunterschieds von gut 600 m einen sehr kleinen Querschnitt, um die Reibung groß zu machen und den Druck in der Leitung möglichst klein zu halten. Die Milch braucht von der Einspeisung auf der Alp bis zur Sennerei ca. 32 Minuten und die tausend Liter Milch pro Melkvorgang brauchen etwa eine Stunde, um durchzulaufen.
Das gesamte Leitungssystem ist wegen der Ausfallsicherung doppelt ausgeführt. Die Reinigung der gesamten Anlage erfolgt zuerst mit Lauge, um die organischen Stoffe abzulösen, und anschliessend sauer, um Mineralanlagerungen wie beispielsweise Calzium abzulösen.

Jetzt im August stehen viele Kühe trocken, da im Spätsommer das Futter auf der Alp langsam weniger wird und weil die Kühe auch vor dem Kalben eine Ruhepause brauchen. Daher wird im Moment auch nur jeden zweiten Tag gekäst. Die Trockenstellung erfolgt entweder über langsames Abmelken oder direkt von einem Tag auf den anderen. Die direkte Methode ist zwar im Moment etwas unangenehmer für die Kühe, dafür hört die Milchproduktion aber auch innerhalb von zwei Tagen auf und den Tieren geht es wieder gut.
Im Winter erfolgt die Fütterung fast ausschliesslich mit Bergheu, das hier im Sommer gewonnen wird. Im Biobereich sind maximal 10 Prozent Zufütterung erlaubt, aber das Bio-Kraftfutter ist so teuer, dass es eher noch sparsamer eingesetzt wird.

In der Sennerei Brigels wird noch in einem großen Kupferkessel gekäst, denn nur mit Kupfer erreicht man die erforderliche Verarbeitungsqualität für die Rohmilchkäse, die hier gemacht werden. Heizung und Kühlung der Milch erfolgen mit warmem und kaltem Wasser.

Der Käsekeller in BrigelsDie Laibgrößen der Bergkäse liegen bei 5-7 Kilo. Es wird morgens gekäst, dann kommen die frischen Laibe in die Käsepresse und werden am Abend des gleichen Tages gewendet. Morgens kommen die Käse vom Vortag dann ins Salzbad.
Wir sehen auch die Rahmzentrifuge, mit der der Fettgehalt beim Käse eingestellt wird. Daneben steht ein Chargenpasteur für Kleinmengen wie Joghurt und Ziegenkäse.
Die Stammkulturen kommen aus dem Labor und sind ebenfalls biozertifiziert. Sie werden einige Tage weitergezogen, aber aus Qualitätsgründen regelmässig ausgetauscht. Das Risiko, dass sich die falschen Bakterien einnisten und der Käse dadurch unbrauchbar wird, ist einfach zu hoch.

 

Brigelser Bündner BergkäseIn Brigels wird Bündner Bergkäse, Rahmkäse, Mutschli und etwas Ziegenkäse gemacht. Der Bündner Bergkäse macht den Hauptanteil aus. Der Käse, der hier im Sennereiladen und in der Umgebung verkauft wird, wird direkt in der Sennerei ausgereift, der Bündner Bergkäse für den Handel geht ins zentrale Reifungslager nach Landquart. Die Pflege der Käse hier in der Sennerei ist echte Handarbeit.
Der Käse wird teilweise mit 3 Monaten als junger Käse verkauft und hat dann einen mildwürzigen Geschmack. Mit mit 10 bis 12 Monaten ist er dann im Idealzustand und wird als "Extrareif" verkauft. Er bildet dann kleine Salzkristalle, ist sehr würzig im Geschmack und schmeckt phantastisch. Momentan gibt es keine überjährigen Käse, denn der Käseverkauf ist gut gelaufen. Wenn der Käse über ein Jahr alt wird, fängt er an abzubauen. Es gibt Liebhaber, für die er dann erst richtig gut schmeckt, aber er fängt unter Umständen an, bitter und scharf zu schmecken und ist dann nicht mehr jedermanns Sache.
Die Ziegenkäse werden bereits mit 3 Wochen verkauft, aber sie sind erst mit 7 bis 8 Wochen richtig gut. Viele Kunden wollen die Käse lieber sehr jung und mild.

Im Sennereiladen wird ein gutes Drittel der Produktion direkt verkauft, die Touristen wollen gerne einheimische Produkte und der direkte Verkauf ist zuverlässiger und regelmässiger als der Verkauf an Grossabnehmer, auf deren Einkaufsverhalten die Sennerei wenig Einfluss hat. Die Saisonalität ist zwar ein gewisses Absatzhindernis und die Sennerei wäre mit Milchzukauf auch besser ausgelastet, aber es gibt gerade im Sommer praktisch keine Milch in der Region zum Zukaufen und das Produkt ist auch ehrlicher, wenn die Rohstoffe hier vor Ort gewonnen werden und die Menge mit dem Jahresgang variiert. Gewisse Unterschiede gibt es auch bei der Milch, je nachdem ob die Kühe frische Frühjahrskräuter, Sommergras oder Winterheu fressen. Frühjahrskräuter führen zu weicherem Fett und zu Käse, der eher jung verkauft werden muss, während Winterkäse durch die Heufütterung eher haltbarer ist und langsamer ausreift.
Wir dürfen jetzt natürlich auch noch die verschiedenen Käse verkosten. Der Ziegenkäse schmeckt mild und sehr fein und auch die anderen Käse schmecken uns sehr gut, aber unser Favorit ist der reife Bündner Bergkäse.

Wir danken Herrn Kobler für die ausführliche Führung durch die Sennerei und seine umfangreichen und informativen Erklärungen, und nun ist es nach halb sieben und höchste Zeit, dass wir uns zum Abendessen verabschieden.

Zergeht auf der Zunge: Filet vom Brigelser Bioschwein im Speckmantel auf PizochelsIn der Casa Fausta Capaul gehen wir nach dem sehr freundlichen Empfang durch die Familie Arpagus vor dem Essen erst einmal unter die Duschen. Erfrischt gehen wir dann ins Restaurant und freuen uns auf unser 3-gängiges Bündner Überraschungsmenue. Das Casa Fausta Capaul bringt es auf 15 Gault-Millau-Punkte, und dementsprechend hoch sind natürlich unsere Erwartungen.

Zur Begrüssung gibt es frisch gepressten Orangensaft, und die Weinkarte ist mit europäischen, südafrikanischen und kalifornischen Weinen gut ausgebaut. Für uns Safttrinker gibt es Traubensaft und Mineralwasser.

Das Essen ist hervorragend. Capuns nach Grossmutterart mit Rohschinkenstreifen und frischen Brigelser Steinpilzen bilden den Auftakt. Die Steinpilze und der Rohschinken sind natürlich genau das Richtige, um den Appetit zu kitzeln.
Als Hauptspeise essen wir Filet vom Brigelser Bioschwein im Speckmantel, auf Pizochels. Das rosa gebratene Filet zergeht auf der Zunge und die Pizochels mit der Zwiebelsosse lassen keine Wünsche offen.
Zum Nachtisch bekommen wir dann eingelegte Pflaumen mit einem Schuss Röteli und Mascarponecreme.
Wir hätten auch ein fünfgängiges Menue wählen können, aber weil wir für unsere Wanderung nicht zu schwerfällig werden wollten, hatten wir uns für das dreigängige entschieden. So sind wir gut gesättigt, aber es hat so wunderbar geschmeckt, dass wir wirklich nur aus Vernunftgründen aufhören. Zum Abschluss trinken wir noch Espresso und den wunderbaren Kräutertee von AlCantun. Zum Glück gibt es noch einen grossen Teller von hausgemachten Pralinen zum Naschen, so dass wir dann doch nicht zu traurig ins Bett gehen müssen.


3. Tag: Von Brigels nach Siat

Casa Fausta Capaul (links) in der Ortsmitte von BrigelsDas Casa Fausta ist ein altes Holzhaus in der Dorfmitte von Brigels. Das Hotel hat nur wenige Zimmer, die geschmackvoll im Bündner Stil eingerichtet sind. Dank der Schallschutzverglasung der Fenster schlafen wir trotz des Glockengeläuts der danebenliegenden Dorfkirche S.Maria tief und erholsam.
Dass Theres und Linus Arpagus ihre Gäste aufmerksam und unaufdringlich verwöhnen, merken wir auch beim Frühstück am nächsten Tag. Am reichhaltigen Frühstücksbuffet ist Selbstbedienung, aber Linus ist jederzeit zur Stelle, um nach der gewünschten Zubereitung der Frühstückseis zu fragen, uns mit Bündner Trockenfleisch zu versorgen oder den Kaffee nachzufüllen. Wir werden gerne wieder kommen.

Spiegelung im Brigelser SeeDoch draussen lockt das sonnige Wetter und unser Gepäcktransport ist auch bereits da. Uns zieht es nach draussen und wir wandern durch den sonnigen Morgen zum Brigelser See hinunter. Nach einigen schönen Blicken zurück über den See auf Brigels und die Berge dahinter wandern wir nun ganz gemütlich in einer guten Stunde immer leicht bergab durch die Blumenwiesen zu unserer nächsten Station, dem Bio-Hotel Ucliva (1100m) oberhalb von Waltensburg/Vuorz.

Rückblick über den See auf BrigelsIm Ucliva sind wir angemeldet, um tiefer in die Geheimnisse der Bündner Küche einzudringen. Das Ucliva war das erste Alternativ-Hotel der Schweiz und wird seit diesem Frühjahr konsequent biologisch geführt. Wir wollen mit dem Koch, Herrn Darms, zusammen Capuns kochen und anschliessend zu Mittag essen.
Nach dem Empfang machen wir es uns zuerst mit einer Tasse Kaffee auf der Terrasse gemütlich und besprechen kurz den Ablauf unseres Besuchs, bevor wir zum Kochen nach innen gehen.

Wir stehen nun also mit Herrn Darms zusammen in der blitzsauberen Küche und lernen im Detail, was gute Capuns ausmacht.
Herr Darms mit frischen MangoldblätternHerr Darms kommt aus einer Familie, die vor über 100 Jahren aus Frankreich in Graubünden eingewandert ist und in der schon immer gerne gekocht wurde. Seine Mutter hatte einige Rezepte und hat Gerichte gekocht, die sonst niemand kannte. Das war schon früher das ideale Mittel, um andere Dinge in der Schule einzutauschen und es war praktisch der Grundstock für seine Kochkarriere.

Jede Bündner Hausfrau hat ihr eigenes Capuns-Rezept, aber Herr Darms besteht darauf, dass Capuns ein Gericht ist und nicht nur eine Machart. Modische Füllungen wie Scampi passen nach seiner Ansicht nicht zu diesem Bündner Gericht.
Zu Diskussion über das "Richtige" Capuns-Rezept meint Herr Darms: man sollte gute und frische Zutaten verwenden, alles selber machen und keine Fertigprodukte verwenden.

Bergprodukte sind anders und das merkt Herr Darms als Koch ganz genau. Rezepte aus dem Flachland funktionieren hier oft nicht, da zum Beispiel das Getreide und das Gemüse aus den Höhenlagen viel gehaltvoller und kräftiger ist und anders verarbeitet werden muss. In den lokalen Rezepten steckt die Erfahrung mit diesen Eigenschaften und von daher sind sie für die lokale Küche besser geeignet.

 

 

 

Der Blattstiel wird herausgeschnittenCapuns sind ein traditionelles Bündner Gericht. Als Zutaten sind immer Eier, Milch, Mehl, und Trockenfleisch in der Füllung, ausserdem gehört wildwachsende Kause Minze hinein, doch da scheiden sich bereits die Geister, denn manchen ist die Minze zu penetrant und mit dem Trockenfleisch zu trocken. Hier im Ucliva wird nicht zu dunkles Mehl verwendet, da die Erfahrung gezeigt hat, dass die Gäste eine zu dunkle Füllung nicht mögen.
Auch bei den Pizochels, deren Teig im Prinzip ganz ähnlich, nur weicher gemacht wird, kommt immer ein Teil Weissmehl (natürlich trotzdem Bio) dazu, da das Auge das appetitlicher findet.
Der Teig wird dann in Mangoldblätter gewickelt. Diese werden normalerweise blanchiert und der Blattstiel herausgeschnitten, man kann bei dünnstieligem Mangold aber auch die rohen Blätter verwenden und den Stiel zum zusammenstecken verwenden. Die Capuns werden dann kurz in heissem Fett angebraten, damit sie zusammenhalten, und in Milch oder Bouillon oder einer Mischung aus beidem pochiert. Sie werden also nicht gekocht, sondern ziehen nur bis sie durch sind.

Ein Löffel voll Teig...Beim Zuschauen fällt uns erst auf, wieviel Handarbeit in guten Capuns steckt. Das Problem der Gastronomie ist oft, dass nur die Produkte verkauft werden, aber die Eigenleistung nicht. Normalerweise bekommt man als Gast seinen Teller voll und wundert sich vielleicht über den Preis, aber nachdem wir nun diesen Einblick haben, ist klar dass das Essen im besten Sinne Preis-wert ist.

Capuns waren früher ein Arme-Leute-Essen. Nach dem Krieg wurde altes Brot mit Rosinen vermengt in Mangold eingewickelt, das sah auf dem Teller nach etwas aus. Heute haben es die Capuns längst in die Feinschmeckerküche geschafft.
...zusammenrollen und kurz anbraten...Herr Darms kommt aus Ruschein, also direkt hier aus der Gegend und legt sehr viel Wert auf die Regionalität der Produkte. Es ist überzeugtes Slowfood-Mitglied und auch in dieser Hinsicht von der Wichtigkeit von Nähe und Fairness überzeugt. Aus diesem Grund werden hier Bio-Landjäger als Trockenfleisch verwendet, weil es das Bündner Fleisch hier nicht in Bio-Qualität gibt. Der regionale Beschaffungsgrad ist sehr hoch, es geht auch darum, dass die Umwelt durch den Transportaufwand möglichst wenig Schaden nimmt und das ist bei Bio manchmal noch schwierig.

Nebenbei schauen wir dem Mitarbeiter von Herrn Darms zu, wie er kunstvoll vom Pizochel-Teig auf dem Brett Halbmonde abschneidet und von diesen dann Stücke ins heisse Wasser schabt. Die Kunst hierbei besteht vor allem darin, den Spachtel im richtigen Winkel zum Brett zu führen, was einige Übung erfordert.

 

...und in Milch/Bouillon fetig ziehen lassenWir unterhalten uns während des Kochens über die Wertigkeit des Essens in der Schweiz und in Deutschland. Das Familienbudget wird in der Regel für andere Dinge ausgegeben – Skateboards, Handy, etc. Selbst die Kücheneinrichtung hat fast professionellen Charakter, aber die Zutaten für das Essen, das zubereitet wird kommt oft aus dem Discounter oder es werden nur Fertiggerichte aufgewämt. Wir sind uns einig, dass hier ein Umdenken kommen wird, dass aber noch viel Arbeit nowendig sein wird, bis wieder in den Köpfen verankert ist, was gutes Essen bedeutet, und dass viele Menschen dafür gar nicht empfänglich sind.

Pizochels schaben ist eine KunstZum Mittagessen bestellen wir uns nun erst einmal nur eine kleine Portion, denn das Frühstück ist noch nicht so lange her und draussen ist es inzwischen ziemlich heiss. Wir haben es auf dieser Tour sehr schätzen gelernt, dass man erst kleine Portionen bekommt und dann ohne Aufschlag nachholen kann. Beim vollen Teller versucht man eben doch zuerst, aufzuessen, weil man das Essen nicht wegschmeissen will, und nimmt dann nicht so viel Rücksicht darauf, ob man wirklich noch hungrig ist.

Herr Darms setzt sich auf der schattigen Terrasse noch zu uns. Wir diskutieren über die Eigenheiten der Regionalen Bio-Küche und die Einkaufsmöglichkeiten.
Konsequente Regionale Bioküche heisst natürlich auch, dass es nicht jedes Gericht zu jeder Jahreszeit gibt. Ohne frischen Mangold gibt es keine Capuns. Dafür beginnt demnächst die Jagdsaison und dann gibt es für einige Zeit frisches Wild. Das Ergebnis kann sich sehen lassenDa es hier aber keinen Bioschlachter gibt, muss das Wild erst einmal ins Entlebuch in der Zentralschweiz zur Verarbeitung und dann zurücktransportiert werden, damit es als Bio verkauft werden darf. An dieser Stelle sind die Bestimmungen etwas unsinnig.
Ausserdem unterhalten wir uns über die regionalen Slowfood-Aktivitäten und ziehen eine Verbindung des Concivium Augsburg mit Graubünden in Betracht. Augsburg ist sowieso sehr stark in diese Gegend orientiert und so könnte sicherlich eine fruchtbare Zusammenarbeit entstehen.
Dann lassen wir uns die Capuns schmecken, die jetzt in der Milch-Bouillon serviert werden. Die gar nicht so kleine "kleine Portion" ist jetzt genau die richtige Menge und mit der Brühe sind die Capuns schön saftig. Das Ucliva hat uns mit seinem Konzept uns seiner Küche jedenfalls überzeugt.

 

 

Weiterweg auf der Senda Sursilvana nach PingiuGegen ein Uhr mittags brechen wir von diesem schönen Platz auf und steigen nun erst über eine Fahrweg und dann durch den Wald und durch die Wiesen nach Andiast.Zuschauerin am Wegesrand Von hier gehen wir dann immer auf guten Wegen ansteigend tief in das Val Pingiu, schon bald mit Blick auf Pingiu (Panix) auf 1320 m und dahinter in Richtung Panixerpass. Dann geht es im Bogen aufwärts ins Dorf, wo wir etwa 2 Stunden nach dem Aufbruch im Ucliva ankommen. Hier setzen wir uns zuerst einmal ins Cafe oberhalb der Dorfkirche, und geniessen beim Blick ins Rheintal einen Eiskaffee. Ein kurzer Abstecher in die sehenswerte kleine Dorfkirche lohnt sich und ist wegen der Kühle auch sehr angehenehm.
PingiuDann geht es ein kurzes Stück auf der Fahrstrasse talauswärts und dann auf einem steilen Pfad durch den märchenhaften Wald zum höchsten Punkt des Tages (ca. 1500 m) beim Maiensäss Darpagaus. Unterwegs finden wir einen großen Steinpilz und einen Bilderbuch-Parasolpilz, die wir für unser Abendessen mitnehmen.
Hier ist der Blick so weit, dass der Josef von "anti-klaustrophobischer Behandlung" spricht, der Blick über die Alpwiesen geht hinüber ins Valsertal und seine Berge, Ein Traumtagzurück ins Rheintal Richtung Oberalppass und auf die weiten Hänge von Obersaxen gegenüber.
Von hier aus sind wir dann auf einer geschotterten Forststrasse absteigend in einer halben Stunde im schönen Dörfchen Siat und gehen durchs Dorf zur Arca da Siat, dem höchstgelegenen Archehof der Schweiz, wo wir von Ronald Cahenzli in Empfang genommen werden.

 

Arca da SiatDer Archehof bietet die Gelegenheit, seltene Haustierrassen in artgerechter Tierhaltung zu erleben. Ronald Cahenzli hält auf dem Archehof verschiedene vom Aussterben bedrohte Haustierrassen, z.b Graubündner Grauziegen, Wollschweine, Schweizer Huhn und andere Hühner- Enten und Gänserassen. Ausserdem hält er eine große Herde Schottische Hochlandrinder (92 Stück), die momentan oben auf der Alp stehen.
Der alte Hühnerstall, in dem der frühere Besitzer Massenhaltung betrieben hat, ist im Obergeschoss zur Infrastruktur für Agrotourismus umgebaut worden. Vorne ist eine Besenbeiz für ca. 20 Personen entstanden, dahinter befinden sich ein Mehrzweck-Aufenthaltsraum, sanitäre Einrichtungen und ein Matzatzenlager mit 100 Plätzen. Alles neu und blitzsauber. Wir sind die einzigen Gäste und können uns ausbreiten.
Ronald vermietet auch die Hütte auf seinem Maiensäss für 60 CHF am Tag für 6 bis 8 Leute. Hier hat er Stockbetten, Petroleumlicht, einen Ofen und eine Stube zum Sitzen, für Selbstversorger. Die aussichtsreiche Lage ausserhalb jeder Besiedlung und das rustikale Ambiente versprechen herrliche Urlaubstage.
Rinderbraten mit verschiedenen KartoffelsortenAn dem schönen Sommerabend sitzen wir an der Arca natürlich draussen und geniessen die Abendsonne. Die Bergkulisse mit dem Sonnenuntergang ist postkartenmässig.
Zum Essen gibt es einen Braten von den Hochlandrindern, verschiedene Kartoffelsorten (die Schwedenkartoffeln sind violett) und Gemüse. Herr Cahenzli erklärt, dass er den Braten nur schwach gewürzt hat, damit der ausgeprägte Eigengeschmack des Fleischs des Hochlandrinds besser durchkommt. Und er hat recht, wir verzichten aufs Nachsalzen und das Essen ist in seiner Einfachheit ausserordentlich würzig.

Hochlandrinder in SiatDas Rindfleisch wird komplett regional direkt vermarktet, der Archehof ist so bekannt für die Fleischqualität seiner Hochlandrinder, dass er keine Werbung mehr machen muss. Die Hochlandrinder sind in zwei Herden aufgeteilt, das eine sind die Kühe mit den Kälbern, die Ochsen und der Stier, die andere Herde sind die Kühe die nicht vom Bullen gedeckt werden sollen. Die Tiere leben im Sommer ziemlich frei auf einer riesigen umzäunten Weide. Es herrscht eine ziemlich strenge Rangordnung, deswegen muss er die Herden auch im Winter möglichst getrennt halten. Er kann sie auch relativ einfach treiben, indem er sie mit Brot lockt. Das Fleisch ist am Besten, wenn die Tiere etwa 2 Jahre alt sind, und dann sind sie auch so dominant, dass er froh ist, wenn sie geschlachtet werden.
Ausser dem Braten lässt er auch noch reine Rindswurst und Trockenfleisch aus den Rindern machen, von deren Qualität wir uns beim Frühstück überzeugen dürfen und wovon wir noch einiges mitnehmen.
Glückliche Wollschwein-FerkelDas Fleisch der Wollschweine verkauft er auch, dafür ist er für über ein Jahr im Voraus ausgebucht. Die Woll-schweine werden ebenfalls selbst nachgezüchtet, nur ab und zu wird der Eber wegen der genetischen Vielfalt mit einem anderen Züchter getauscht. Wir sehen einige Würfe von Ferkeln unterschiedlichen Alters. Die ganz jungen sind 4 Wochen alt und gestreift, womit sich ihre enge Verwandtschaft zu den Wildschweinen ausdrückt. Am nächsten Tag besuchen wir die Tiere auf der Weide, die Kleinen gehen ganz einfach unter dem Zaun durch und sind absolut zutraulich. Ein Zeichen dafür, wie gut sie hier behandelt werden.

4.Tag Zum Käsen auf die Alp Ruschein

Am nächsten Morgen fährt uns Ronald nach dem Frühstück um halb sieben mit dem Auto bis unter die Alp da Ruschein. Wir laufen in einer Dreiviertelstunde hinauf zur Alpe, wo wir beim Käsen zuschauen wollen.

Der Käsebruch wird mit der Harfe immer kleiner geschnittenAls wir ankommen, ist das Melken bereits vorbei. 1300 Liter Milch sind bereits mit Lab versetzt und dickgelegt. Die Dickete ist offensichtlich bereits zu Bruch geschnitten, der nun kräftig mit der Harfe gerührt und immer kleiner geschnitten wird. Durch das Rühren geben die Bruchkörner vermehrt Molke ab, was für die Hartkäseproduktion unerlässlich ist. Auf der Alp Ruschein sind in diesem Sommer 120 Kühe. Dieses Jahr haben sie witterungsbedingt sehr viel Futter hier heroben, so dass sie gerade erst anfangen, statt jeden Tag nur alle zwei Tage zu käsen.
Zwischen den einzelnen Arbeitsgängen haben wir immer wieder Zeit, uns auf die Terrasse der Alphütte zu setzen, Buttermilch zu trinken und Käse zu essen. Der Bruch wird derweilen bei laufendem Rührwerk auf 48 Grad erhitzt, "gebrannt", wodurch er ebenfalls weiter Molke abgibt, wobei es für uns nicht viel zu sehen gibt.
Die Butter wird kräftig geknetetZwischendurch lassen wir uns den modernen Käsekeller zeigen, in dem die Käse bis zum Ende des Alpsommers gelagert werden. Anschliessend schauen wir der Sennerin zu, wie sie die Butter knetet und mit Formen modelt. Die frisch gerührte Butter wird erst in kaltem Wasser gekühlt, und dieses Wasser wird dann herausgeknetet und die Butter zu Blöcken geformt. Das Kneten der Butter sieht - wie die übrige Arbeit auch – durchaus danach Fertige frische Alpbutteraus, als ob sich damit ein Fitnesstudio ohne weiteres ersetzen liesse. Jedenfalls sehen wir mit Respekt bei dieser dynamischen körperlichen Arbeit zu.

 

 

 

 

 


Abseihen des KäsebruchsWir kommen wieder in die Käseküche, als der Bruch mit dem Käsetuch abgeseiht wird. Das Käsetuch muss einigemale über einen Metallrahmen gespannt werden und dann tief durch den grossen Käsekessel gezogen werden, um den Bruch ohne Verluste abzufischen. Bei dieser grossen Bruchmenge reicht die Zeit nicht aus, um portionsweise die Mengen für jeweils einen Laib abzuseihen. Der Bruch kommt hier insgesamt in eine Wanne mit Molkeablauf, wird wenige Minuten gepresst, bis er ein wenig zusammengewachsen ist, und dann in Würfel geschnitten. Diese Würfel werden dann in die Käseformen gelgt, in Laibform geknetet und gepresst.
Alles muss ziemlich schnell gehen, denn der Käsebruch arbeitet. In der Käseküche ist es warm und feucht, und die Arbeit ist ziemlich schweisstreibend.

Anschliessend muss die Käseküche noch saubergemacht werden, dann ist das Käsen für Der in Würfel geschnittene Käseteig wird zu runden Laiben gepresstheute vorbei. Was sich hier so einfach anhört, war aber betreis ein 8-Stunden-Arbeitstag, der morgens um 4 damit begonnen hat, das Vieh zum Melken zu holen, und der nun Mittags um 12 längst nicht zu Ende ist. Nach kurzer Pause wird es weitergehen, Essen kochen, Käse wenden, wieder das Vieh zum Melken holen. Es müssen Zäune gerichtet werden und die Arbeit hier heroben geht den ganzen Sommer an gut hundert Tagen am Stück nie aus.

Die Alpschweine auf RuscheinWir verabschieden uns nun von der Alp Ruschein, nicht ohne noch einen Blick auf die Alpschweine geworfen zu haben. Wir überschreiten 100 m tiefer wieder den Bach, steigen über die gegenüberliegenden sonnigen Hänge wieder ein gutes Stück auf und wandern dann entlang des Kammes auf einem kleinen Bergpfad quer über die Hänge bergab.

 

Auf den Hängen zwischen der Alp Ruschein und SiatIm Abstieg nach Siat sehen wir die Hochlandrinder des Archehofs auf der Weide stehen. Die weiträumige Weide ist eingezäunt und die Tiere sind hier den ganzen Sommer über im Freien. Ronald Cahenzli sieht täglich nach dem Rechten, doch ansonsten führen sie hier ein freies Leben in der Herde, wie es ihrer Natur entspricht.

Die Hochlandrinder auf der WeideBei diesem schönen Leben ist es klar, dass das Fleisch dann so gut schmeckt, und wir sehen auch, dass hier nicht mit Kraftfutter gemästet wird und es den Tieren hier gut geht.

Zurück in Siat nehmen wir uns Zeit für eine ausführliche Dorfbesichtigung, denn es ist erst früher Nachmittag und wir wollen erst morgen früh von hier aufbrechen. In Siat gibt es noch viele schöne alte HolzhäuserWir besuchen das Kapellchen ausserhalb des Dorfes, sehen uns die alten Häuser an und verbringen auf der Arca noch eine weitere Nacht. Wir haben in den vergangenen vier Tagen viel erlebt, doch leider ist unsere kulinarische Reise nun zu Ende und wir freuen uns bereits darauf, wieder hierher zu kommen.